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1.4.2020, 9:09 - Archiv

30'000 Autos «made in Switzerland»

Die Schweiz kannte eine eigenständige Automobilproduktion mit Martini, Turicum oder anderen, in der Schweiz wurden edle Marken mit edlen Karosserien versehen. In der Schweiz wurden aber auch ausländische Fahrzeuge komplett montiert. Kurz nach ihrer Gründung begann die AMAG in Schinznach-Bad mit der Produktion von Automobilen.

1947 bot sich in Schinznach-Bad der Kauf eines Areals einer früheren Zementfabrik mit Fabrikationshallen an. Diese Fabrik war schon vor dem zweiten Weltkrieg Konkurs gegangen und in den Kriegsjahren wurden die Hallen als Stroh- und Heulager der Armee genutzt. Im gleichen Jahr erfolgte der Umbau in eine für damalige Begriffe moderne Kleinmontageanlage für Automobile. 1949 begann die ASAG (Automontage Schinznach AG) mit der Montage der ersten Plymouth- und Standard-Limousinen.

Automontage der ASAG – nicht AMAG

Auch wenn in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit die AMAG in Schinznach-Bad Autos montiert hatte, so ist das juristisch nicht ganz korrekt. Die Montagetätigkeit erfolgte in einer rechtlich eigenständigen Firma, der ASAG Automontage Schinznach AG, die wie die AMAG zur Walter Haefner Holding AG gehörte. 

Doch was brachte ein Automobilhandelsunternehmen dazu, Fahrzeuge selber im eigenen Lande zu montieren? Wie häufig bei solchen Entscheidungen war der Fiskus Grund genug. Auf Komplettfahrzeugen aus den USA hatten die Schweizer Zollbehörden beinahe protektionistische Zollgebühren erhoben. Teilelieferungen hingegen waren sehr günstig, denn sie schafften Arbeitsplätze. 

Aus der Not wurde im Laufe der Jahre eine Tugend. Was aus Kostengründen in Schinznach begann, entwickelte sich schon sehr schnell zu einem Qualitätslabel. Die Fertigungsqualität der Rohkarossen, die Rostschutzbehandlung oder die zum Teil aus Schweizer Produktion verwendeten Materialien waren deutlich besser. Auch speziell für die Schweiz: «Montage Suisse»-Autos waren besser ausgestattet als ihre amerikanischen Vorbilder.

Willy Huter, einziger und langjähriger  Direktor der Automontage brachte es schon in den fünfziger Jahren auf den Punkt: «Die kleine Schrift «Montage Suisse», die wir auf allen von uns montierten Fahrzeugen anbringen, muss immer für höchste Qualität bürgen!». 1954 erfuhren alle Mitarbeitenden: «Vom allerersten Arbeitsgang an müssen die Facharbeiter in der Automontage sich bewusst sein, dass es ernst gilt und dass von der Qualität ihrer Arbeit der Verkaufserfolg, die Zufriedenheit der Kunden und die Sicherung der eigenen Existenz mit abhängen. Ein guter Mann hat seinen Stolz und seine Devise: «Ich pfusche nie!» - Der Plymouth ‘Suisse’, man weiss es, zählt zu den besten Erfolgen auf dem Schweizer Markt.».

Die Plymouth-Jahre in der Automontage

Die ersten zehn Montage-Jahre können als «die Plymouth-Jahre» bezeichnet werden. Bereits im ersten Montage-Jahr rollten 66 Fahrzeuge in Schinznach-Bad vom Band. Bis 1959 wurden über 7'100 Fahrzeuge gebaut. Im Vergleich dazu nehmen sich die 42 Chrysler, und je rund 250 DeSoto und Dodges bescheiden aus. Anfang der Fünfziger war die Liefertreue aus Detroit sehr schlecht. Da war man froh, dass zur Überbrückung und Auslastung auch über 500 Standard Vanguards gebaut werden konnten. Als Ende der Fünfziger die Amerikaner immer grösser wurden – und die Nachfrage zurückging –, war man in Schinznach-Bad dankbar, dass rund 1000 Einheiten des damals neuen, schnittigen Karmann-Ghia-Coupés in der Schweiz – zur Entlastung der Produktion in Osnabrück – montiert werden konnten. Während die Amerikaner komplett in Einzelteilen angeliefert wurden, lieferte Karmann komplette Rohkarossen in die Schweiz, die hier noch mit Türen und Hauben versehen werden mussten. Nach Korrosionsschutz und Lackierung fand in der Schweiz «nur» die Endmontage statt.

Als Intermezzo kann die kurzfristige Produktion von Studebaker-Fahrzeugen ab 1959 bezeichnet werden. Der Konkurs der US-Gesellschaft verhinderte einen grösseren Erfolg.

Das Jahrzehnt der Valiants und Darts

Die Schweizer fanden die grossen «Amerikaner» nicht mehr so praktisch, europäische Alternativen waren kompakter und praktischer. Alternativen waren gefragt. Die Lösungen hiessen 1960, resp. 1961 Chrysler Valiant und Dodge Dart. Zwei für damalige US-Verhältnisse kompakte Mittelklasselimousinen, angetrieben von Reihen-Sechszylindermotoren. Die AMAG positionierte den Valiant sogar als eigenständige Marke. Damit sollte klar gezeigt werden, dass der Valiant kein grosses «Amischiff» war. Bis zur Einstellung der Montagetätigkeit in Schinznach-Bad wurden rund 14'000 Valiants gebaut. Der Dodge Dart, bautechnisch ein Schwestermodell des Valiant, brachte es auf rund 4'700 Einheiten. 

Konkurrenz im eigenen Haus - Das Ende

Gegen Ende der sechziger Jahre verfiel die amerikanische Autoindustrie wieder dem Gigantismus, diesmal in Sachen Hubraum und Leistung. Das Interesse an den Valiants und Darts nahm laufend ab. Gleichzeitig hatte die AMAG mit der von Volkswagen gekauften Auto Union AG plötzlich mit Audi 90, Audi 100 oder NSU RO 80 ein neues, verbrauchsärmeres Angebot in der Mittel- und gehobenen Mittelklasse. 

Die Nachfrage nach in der Schweiz montierten Fahrzeugen nahm laufend ab. Die Automontage konnte nicht mehr rentabel geführt werden. Hatte die Montage in Schinznach mit einem Plymouth begonnen, so lief sie 1972 auch mit einem Plymouth, einem Plymouth Valiant, nach 29'227 Einheiten aus.

 

Bildlegenden

1 Montagehalle im Jahr 1957
2 Bei schönem Wetter wurden Sattlerarbeiten auch mal unter freiem Himmel ausgeführt
3 Ein Dodge bei der Endabnahme
4 «Hochzeit in der Schweiz» eines VW Karmann-Ghia 
5 Von 1957 bis 1959 wurden über 1000 VW Karmann-Ghia in Schinznach-Bad montiert
6 Ein Plymouth kommt, ein Plymouth Savoy verlässt die Montagehalle
7 Die Automontage Schinznach im Jahr 1950
8 Standard Vanguard sind bereit zur Ablieferung
9 Karosserie-Handarbeit an Standard Vanguards, den ersten Fahrzeugen, die in Schinznach montiert wurden

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